David Antonides

Curve of the Earth (Erdkrümmung) - Weitblick

 

Ausstellung Kirche Bröllin 3.10. - 11.10.2020

 

Glas, Malerei, Paste Ups, Sound

Im Rahmen des Programms Kunst Heute - Zeitgenössische Kunst erleben verwandelt der kanadische Künstler David Antonides die Dorfkirche Bröllin mit der Dynamik seiner Bildwelt und gibt mit der temporären künstlerischen Umgestaltung des Gotteshauses Raum zur Reflexion.
Die, im 13. Jahrhundert aus Feldstein erbaute, Saalkirche in Bröllin wird mit
David Antonides’ großformatigen Gemälden und lichtbrechenden Glasskulpturen in ihrer vollen Größe neu erlebbar gemacht. Der Künstler greift mit den gezeigten Arbeiten Themen auf, die um Formen der Wahrnehmung kreisen. Wer den Aufstieg unters Kirchendach wagt, wird hier weitere Arbeiten sehen und hören, die unsere persönlichen Interpretationen der Wirklichkeit sowie die der Medien hinterfragen.

Der, in Brüssow und Berlin lebende Maler und Bildhauer David Antonides beschäftigt sich in dieser konzeptuellen Ausstellung Curve of the Earth - Weitblick mit sinnlichen Erfahrungen und meint mit dem Phänomen der Erdkrümmung vor allem das, was hinter dem Horizont passiert. Können unsere Augen uns auch täuschen? Wie beeinflussen Medien und pseudowissenschaftliche Theorien unsere Wahrnehmung? Können wir uns Zweifel erlauben? Was glauben wir?

Öffnen wir den Blick in die Weite, können wir Formen und Farben anderer Lebenswelten für uns erschließen und uns für einen Moment von dem loslösen, was wir als Wirklichkeit betrachten und - Kunst heute erleben.

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Besucherinformation - Ausstellungsrundgang

Kirchenraum, Erdgeschoss

Spätsommer Uckermark 1 und 2”
74 x 93 cm, Öltinte auf Kunststofffolie, 2020


“Parcours”

10 teilig je 150 x 200 cm
Mixed Media, Öltinte auf Leinwand, 2020
(
Combo, J-step, Pike, Tuck, Cat to Cat, Side Vault, Freerun, Roll, Lache, Wall Run)

Die Prinzipien, die David Antonides von der Sportart Parcours entleiht, beziehen sich nicht nur auf den ausführenden Körper und Geist sowie den Umgang mit anderen Menschen, sondern sie sind zugleich eine künstlerische Aussage zum öffentlichen Raum, der in seiner Materialität nutz- und erlebbar gemacht wird. Der Künstler sieht hier Parallelen zu seiner generellen Herangehensweise und dies inspirierte ihn zu einer Rauminstallation mit großformatigen Bildern, die durch ihre Serialität Assoziationen zu den Techniken des urbanen Hindernis-Sports Parcours herstellen. Besondere Spannung entsteht durch die Einbeziehung des Kirchenraumes der Kirche Bröllin in das künstlerische Konzept.
Das Verständnis des Künstlers vom Phänomen Stadt wird hier in mehreren Dimensionen deutlich. Es beruht auf der Idee, dass auch Stadtlandschaften als natürliche Organismen betrachtet werden können. Für den Künstler besteht eine zwingende Beziehung zwischen den Menschen und ihrem städtischen Kontext. Diese Arbeit deutet Überschneidungen und Paradoxien an, die damit in Verbindung stehen. Der Mensch als aktives, organisches Subjekt, das aufgesogen wird von der meist anorganischen und ihn beherrschenden Architektur. Die Kraft der Natur innerhalb der Stadt wird hauptsächlich durch das einfallende Licht repräsentiert, dessen lebensbejahender Einfluss der Motor all dessen ist, was unser Leben überall bestimmt, also auch im urbanen Kontext. Die Natur scheint in der Stadt zwar verborgen, aber ihre Auswirkungen sind allgegenwärtig. Das Natürliche schafft eine Verbindung zwischen uns, als vereinzelte Individuen und verleiht uns einen instinktiven Optimismus.

Jede der Arbeiten der Serie Parcours ist eine ephemere Momentaufnahme unserer täglichen Erfahrungen in der Stadt, die in den Bildern quasi als verblasste, stilisierte aber kollektive Erinnerung existiert.

Die 10 Arbeiten, die zusammen das Werk Parcours bilden, bewegen sich zwischen asiatisch beeinflusster energischer Pinselführung und Einflüssen von digitalen Bildwelten. Die Motive wirken beinahe wie in zu niedriger Auflösung festgehalten. Dies ist den Arbeiten David Antonides eigen: Seine Darstellungen reduzieren und vereinfachen Merkmale fast bis zur Abstraktion, zeigen aber dennoch ein optische Fülle und intensive Komplexität.

Die gezeigten Arbeiten sind als Monotypien entstanden, also in einer manuellen Drucktechnik, die für die Ausstellung in dem hohen Kirchenraum in Bröllin besonders eindrucksvoll installiert werden können. Die insgesamt 20 (2 x 10) großformatigen Arbeiten stellen auch insofern eine Herausforderung für unser Wahrnehmung dar, da jedes Motiv in doppelter, aber merkbar abweichender Ausführung auftaucht.

 

MannMann”
Sound, 5:09 min., Endlosschleife, 2020

Der massive visuelle Eindruck von Parcours wird durch eine Geräusch-Komposition des Künstlers verstärkt.
Die zwei- und dreidimensionalen Arbeiten der Ausstellung werden durch diese Tonlandschaft zusammengehalten. Töne aus unserem Alltagsleben mischen sich mit Geräuschen aus der Natur und Wortfetzen unterschiedlicher Herkunft. Kinderstimmen, John F. Kennedy, Kraniche. Wer umgibt uns hier? Gibt es konspirative Energien, die sich im Sound manifestieren und die uns hier im Zusammenklang mit der Bildwelt bewußt gemacht werden? Oder ist alles nur Illusion und willkürlich in Beziehung gesetzt worden?


Fake Bones - Fake Injury”
95 x 240 x 63 cm
, Plexiglasvitrine, Glas Mixed Media, 2018

Die Installation besteht aus fünf Glasobjekten, die sich jeweils aus mehreren farbigen, aber transparenten Glasbruchstücken zusammensetzen und in einer Plexiglasvitrine präsentiert werden. Auf den ersten Blick erkennt man schimmerndes Glas in rätselhaften Formen unter der Abdeckung. Der zweite Blick lässt gläserne Bruchstücke erkennen, die vorgeben Überreste menschlicher Skelette zu sein. Beschriftungsetiketten zu jedem Körperteil sowie Inventarisierungsnummern geben dem Betrachter irreführende Informationen zu den Objekten. Die Untersuchung der Beschaffenheit der Exponate kann durch eine Lupe noch genauer erfolgen. Das Werk karikiert visuell museale Präsentationsformen und die Leichtgläubigkeit der Rezipienten, die durch vermeintlich unwiderlegbare, wissenschaftliche Aufarbeitung von im öffentlichen Kontext ausgestellten Phänomenen manipuliert werden können.
Die doppelbödige Methodik ist auf Politiker übertragbar und wird in dieser Kunstinstallation ad absurdum geführt. Der Künstler spielt hier mit dem Begriff der “Fake News” und ruft mit dieser Arbeit durch das Medium Kunst auf, auch Dinge zu hinterfragen, die offensichtlich erscheinen und stimuliert so die Kritikkompetenz der heutigen mediengläubigen Gesellschaft.

 

Überwachung” Giraffen
Paste Ups, Öltinte auf Reispapier, 2020

Die Geschichte der Zootiere, die während der Kämpfe um Berlin im Zweiten Weltkrieg aus dem Zoo geflüchtet sind, beeindruckt den Künstler. Der absurde Gedanke an freilaufende, wilde Tier im Großstadtdschungel findet Ausdruck in diesen Paste Ups. David Antonides integriert die Giraffe in das Ausstellungskonzept und verwandelt damit den Kirchenraum, sodass dem Besucher vollkommen neue und unerwartete räumliche Erfahrungen zuteil werden. Die Präsenz der Tiere in der Kirche birgt zwar Absurdität, aber der Künstler gibt ihrer Anwesenheit eine lässige Selbstverständlichkeit, die unsere Toleranz im Umgang mit Ungewohntem herausfordert.
Die Giraffe, die mit ihrer Körpergröße alles überragt, und die uns von einem exponierten Punkt aus zu beobachten scheint, repräsentiert das Unbekannte und auf den ersten Blick Bedrohliche. Vielleicht überwacht sie uns? Ihr langer Hals läßt sie auf uns herabblicken, aber sie kann auch über Häuserdächer und weit in die Ferne blicken. Fraglich ist, ob sie dadurch einen tieferen Einblick hat, oder ist sie nur eine Karikatur derer, die meinen, dass höhere Positionen mehr Einsicht verleihen?
Die Giraffen-Paste Ups sind im Stil von Streetart Tags als einfarbige Multiplen gefertigt.
Das Motiv der Giraffe taucht auch in anderen kleineren Arbeiten des Künstlers z.B. in Lithografien und Monotypien wieder auf.

 

 

Dachgeschoss
Erreichbar über die Empore und eine Holzstiege

 

X”
92 x 113 cm,
Wasserlösliche Pigmente auf Baumwollpapier, 2019

Die Arbeit “X” integriert der Künstler ins Gebälk des Kirchturms. Sie ist im Obergeschoss der Brölliner Kirche zu finden.
Der ausgewählte Ausschnitt aus der Stahlkonstruktion des Eberswalder Schiffshebewerk korrespondiert mit der mittelalterlichen Holzarchitektur und spiegelt Zeitgenössisches mit historischer Baukunst. Die Technikaffinität des Künstlers zeigt sich an dieser Stelle, er greift in seinen Arbeiten immer wieder Themen und Motive der Industriekultur auf.

 

Cornucopia” (Füllhorn)
57 x 43 x 45 cm, Objet trouvé, Glas und Gusseisen, 2018

Die Spannung, die zwischen den hier verwendeten Materialien entsteht, liegt nicht zuletzt in ihrer Gegensätzlichkeit: Metall steht für Stabilität und Glas für Zerbrechlichkeit. Gemeinsam scheint ihnen der Aspekt der Kälte, allein die Dynamik der Formen zeugt von der Lebendigkeit der Idee hinter den Objekten.
Antonides arbeitet mit ganz herkömmlichem Floatglas, das durch die notwendige Beimischung von Eisenoxid eine grünliche Farbe erhält. Je nach Dicke der verwendeten Glasplatten und der Anzahl der Schichten können variierende Grüntöne erzeugt werden. Durch die Schichtung der Glasplatten, die in ihrem erstarrten Endzustand unregelmäßige Übergänge von Platte zu Platte bilden, bekommen die Metallobjekt den Anschein, sie könnten aus der gläsernen Eierschale platzen. Die Fragilität des Materials und die wahllos auftretenden Bruchstellen sind Ponderabilien, mit denen der Künstler gezielt arbeitet.
Um beim Verschmelzen von Metallobjekten mit dem Glas jene so autark scheinenden Fließmoment zu erlangen, ist neben einer umfassenden Kenntnis des Schmelzverhaltens des Materials auch ein Quäntchen an Fatalismus und Neugier im Spiel.

Das anorganische Schmelzprodukt Glas kann, wie kein anderes Material, in seiner fließenden Bewegung gestoppt werden, und so erzeugt David Antonides Momente erstarrter Dynamik, vergleichbar mit den Szenerien, die er für seine expressiven Stadtlandschaften wählt.

 

 

 

 

weitere Informationen:

david@davidantonides.com

www.davidantonides.com